Latente Steuern

Definition

Latente Steuern resultieren aus zwei Ursachen:

  • aus Unterschieden in den Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz, die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen (Temporary-Konzept), gemäß § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB sowie
  • steuerlichen Verlustvorträgen in Höhe der innerhalb der nächsten 5 Jahre zu erwartenden Verlustverrechnung (§ 274 Abs. 1 Satz 4 HGB).

Im Falle einer sich daraus insgesamt ergebenden Steuerbelastung besteht eine Passivierungspflicht, im Falle einer Steuerentlastung ein Aktivierungswahlrecht.

Alternative Begriffe: Steuerabgrenzung, Steuerlatenzen.

Beispiel

Passive latente Steuern

Eine GmbH macht von dem Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB für Entwicklungskosten eines neuen Produktes Gebrauch und aktiviert in der Handelsbilanz 1 Mio. € als selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens.

In der Steuerbilanz hingegen ist der Ansatz verboten (§ 5 Abs. 2 EStG).

Daraus resultiert ein unterschiedlicher Wertansatz zwischen Handelsbilanz (1 Mio. €) und Steuerbilanz (0 €).

Der Gewinn vor Steuern ist in der Handelsbilanz deshalb um 1 Mio. € höher als in der Steuerbilanz.

Unterstellt man einen Ertragssteuersatz von 30 % (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer), sind passive latente Steuern in Höhe von 300.000 € zu bilden (30 % × 1 Mio. €).

Diese werden in den Bilanzposten Passive latente Steuern (§ 266 Abs. 3 E. HGB) ausgewiesen.

Die 300.000 € werden in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand in dem GuV-Posten Steuern vom Einkommen und vom Ertrag verbucht und müssen nach § 274 Abs. 2 Satz 3 HGB gesondert – das heißt, getrennt von den anderen Steueraufwendungen – ausgewiesen werden.

In den Folgejahren kommt es zu einer ertragswirksamen Auflösung der passiven latenten Steuern.

Beträgt die Abschreibungsdauer der aktivierten Entwicklungskosten 5 Jahre und erfolgt die Abschreibung linear (das heißt mit 200.000 € jährlich), sind jährliche Auflösungen der latenten Steuern in Höhe von 60.000 € (30 % von 200.000 €) vorzunehmen.

Nach 5 Jahren ist der Bewertungsunterschied zwischen HB und StB komplett verschwunden (die aktivierten Entwicklungskosten sind dann in beiden Bilanzen 0 €) und die latenten Steuern verschwinden ebenfalls.

Aktive latente Steuern

Angenommen, das Unternehmen aktiviert zudem auf steuerlich innerhalb der nächsten 5 Jahre nutzbare Verlustvorträge von 2 Mio. € aktive latente Steuern in Höhe von 600.000 € (30 % × 2 Mio. €).

Dann hat das Unternehmen nach § 274 HGB folgende Möglichkeiten für die Bilanzierung:

  1. es aktiviert 600.000 € in dem Bilanzposten Aktive latente Steuern (§ 266 Abs. 2 D. HGB) und passiviert 300.000 € in dem Bilanzposten Passive latente Steuern (§ 266 Abs. 3 E. HGB);
  2. es saldiert die beiden Beträge und aktiviert den Saldo in Höhe von 300.000 € unter dem Bilanzposten Aktive latente Steuern oder
  3. es verzichtet auf die Aktivierung des Überhangs latenter Steuern in Höhe von 300.000 € und bilanziert somit keine latente Steuern.

Anhangsangaben

Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften im Sinne des § 264a HGB (vor allem GmbH & Co. KG) verlangt § 285 Nr. 29 HGB die Angabe im Anhang des Jahresabschlusses, auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchen Steuersätzen die Bewertung erfolgt ist.

Entsprechende Angaben sind auch dann zu machen, wenn das Aktivierungswahlrecht für aktive latente Steuern nicht ausgeübt wurde (und es somit zu keinem Bilanzansatz gekommen ist).

Nach § 285 Nr. 30 HGB sind für den Fall, dass latente Steuerschulden angesetzt wurden, die latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und die im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden im Anhang anzugeben.

Für den Konzernanhang sind die analogen Regelungen § 314 Abs. 1 Nr. 21 und Nr. 22 HGB.

Erleichterung

Kleine Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 HGB sind nach § 274a Nr. 4 HGB von der Abgrenzung latenter Steuern nach § 274 HGB befreit.

Aktive und passive latente Steuern

Aktive latente Steuern

Aktive latente Steuern resultieren – abgesehen von Verlustvorträgen – allgemein daraus, dass

  • Vermögensgegenstände in der HB mit einem niedrigeren Wert als in der StB angesetzt werden (zum Beispiel wenn in der Handelsbilanz auf den Ansatz eines Disagios verzichtet wurde) oder
  • passive Posten wie Rückstellungen oder Verbindlichkeiten in der HB mit einem höheren Wert als in der StB angesetzt werden (etwa im Falle handelsbilanziell nach § 249 HGB zu bildender Drohverlustrückstellungen, die steuerlich nach § 5 Abs. 4a EStG verboten sind).

Ergibt sich in Summe eine aktive latente Steuer – das heißt, ein Überhang aktiver latenter Steuern über passive latente Steuern – und macht das Unternehmen von dem Aktivierungswahlrecht nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB Gebrauch, greift für diesen Betrag die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 HGB.

Passive latente Steuern

Passive latente Steuern resultieren allgemein daraus, dass

  • Vermögensgegenstände in der HB mit einem höheren Wert als in der StB angesetzt werden (siehe obiges Beispiel bezüglich aktivierter Entwicklungskosten) oder
  • passive Posten in der HB mit einem niedrigeren Wert als in der StB angesetzt werden.

Permanente und quasi-permanente Differenzen

§ 274 Abs. 1 Satz 1 HGB spricht von Wertunterschieden zwischen Handels- und Steuerbilanz, "die sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich abbauen".

Dies beinhaltet auch sogenannte quasi-permanente Differenzen, die sich nicht automatisch im Laufe der Zeit, sondern erst durch bestimmte Maßnahmen (zum Beispiel Verkauf eines in HB und StB unterschiedlich bewerteten unbebauten Grundstücks) oder gar erst bei Auflösung des Unternehmens umkehren.

Permanente Differenzen hingegen, die zum Beispiel aus der Nichtabzugsfähigkeit bestimmter Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 EStG) oder aus steuerfreien Erträgen resultieren, sind nicht zu berücksichtigen.